Agiles Lernen unterscheidet sich von dem was wir in der Regel aus unserer Schulzeit kennen. Der Ansatz des agilen Lernens stellt den Lernenden ins Zentrum des Lernprozesses und ist durch Selbstbestimmung geprägt. Es beruht auf den Prinzipien der Eigenverantwortung und Selbstorganisation. In diesem Zusammenhang fallen sehr schnell auch die Begriffe New Learning und Lernen 4.0. Hinter den einzelnen Begriffen stehen verschiedene Lernkonzepte, die Gemeinsamkeiten haben, aber auch klar voneinander abgegrenzt werden können.
- New Learning: New Learning zielt auf die individuelle Entfaltung des eigenen Potentials ab. Es steht vor allem die Selbstbestimmung der Lernenden und deren Autonomie und die soziale Teilhabe im Vordergrund. Dabei erfolgt eine ganzheitliche Betrachtung auf das Lernen. Daher kann es auch Lernprozesse beinhalten, die keinen direkten Arbeitsbezug haben.
- Lernen 4.0: Lernen 4.0 nutzt die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung, um die Effizienz des Lernens durch ein smartes Lernumfeld zu steigern. Dies beinhaltet u.a. den Einsatz von digitalen Medien wie beispielsweise Chat Bots, künstliche Intelligenz, Augmented und/oder Virtual Reality, die zum Lernen eingesetzt werden können. Neue Lernerfahrungen können durch solche Technologien entstehen. So ist es sinnvoll, dass sich agiles Lernen und New Learning sich bei Bedarf ebenfalls der digitalen Möglichkeiten bedienen kann.
- Agiles Lernen: Agiles Lernen verfolgt das Ziel, die lebenslange Anpassungsfähigkeit von Mensch und Organisation auf veränderte Rahmenbedingungen zu unterstützen. Die agilen Werte und Prinzipien werden auf den Prozess des Lernens adaptiert. Deshalb ist agiles Lernen geprägt von kurzen und klar strukturierten Abläufen bei gleichzeitiger Flexibilisierung und Anpassbarkeit der Inhalte. Auf Basis einer nachhaltigen Lern- und Fehlerkultur entsteht Raum zum Ausprobieren und Adaptieren von neuen Wegen. So sind selbstgesteuertes bzw. entdeckendes Lernen die Vorläufer des agilen Lernens.
Beim selbst bestimmten Lernen (Synonyme: selbst gesteuertes oder selbst organisiertes oder selbst regulierendes Lernen) kann der Lernende selbst bestimmen, was er wann, wo, wie und mit wem zusammen lernen will. Eigenverantwortung und Selbstorganisation sind dahei wichtige Prinzipien
Die typischen Merkmale sind: Eigenständige Zielsetzung, Selbstmotivation, Auswahl geeigneter Lernstrategien, Überwindung von Problemen wie Lernhindernissen und Ablenkungen
Beim agilen Lernen steht der Lernende mit seinem konkreten Bedarf aus seinem Arbeitsumfeld im Vordergrund. Die Kompetenzentwicklung erfolgt nicht auf Basis von allgemeinen Beispielen, sondern anhand persönlicher Herausforderungen und seinem Vorwissen und Stärken. Lernen, Übung und Praxis sind somit untrennbar verbunden. Zusätzlich erfolgt agiles Lernen in einem kollaborativen Umfeld. Jeder Lernende kann durch entsprechende Lernformate seine eigenen Erfahrungen teilen oder sich gemeinsam mit anderen neue Kompetenzen aneignen. Durch den Austausch und über die jeweiligen Herausforderungen und weitere Formen von Feedback lernt er ebenfalls kontinuierlich hinzu.
Der Treiber für selbst bestimmtes und agiles Lernen ist intrinsische Motivation
Beim Lernen spielt nicht nur die Selbstwirksamkeit, sondern auch die Motivation eine große Rolle. Die kognitive Psychologie versteht unter Selbstwirksamkeit die Überzeugung einer Person, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können und ist somit der Glaube an sich selbst. Dies bedeutet, dass der Lernende Situationen benötigt, in denen er diese Erfahrung machen und wachsen kann.
Motivation ist die Triebkraft, die uns dazu bringt, bei mehreren Optionen die für uns ansprechendste auszuwählen und die Aktivität weiter zu verfolgen. Dabei bewegt sich die Motivation bewegt auf einer Skala, die von extrinsisch bis zu intrinsisch reicht.
- Von extrinsischer Motivation wird gesprochen, wenn ein Anreiz wie eine die Belohnung für eine Aufgabe von außerhalb kommt. Das „ich muss“ steht im Vordergrund.
Beispiel: Wenn jemand extrinsisch motiviert ist, führt derjenige die Aufgabe nicht der Aufgabe willen aus, sondern wegen der Belohnung, die er dafür bekommt. Das einfachste Beispiel sind monetäre Anerkennung wie Lohn und Punkte. Es entspricht einer logischen und analytischen Vorgehensweise. - Von intrinsischer Motivation wird gesprochen, wenn die eine Aufgabe wegen eines inneren Anreizes ausgeführt wird, der in der Tätigkeit selbst steckt. Die Tätigkeit löst positive Emotionen aus. Das „ich will“ steht im Vordergrund.
Beispiel: Wenn die Aufgabe ohne eine Bedingung ausführt wird, nur weil sie Spaß macht oder sinnvoll erscheint oder auch herausfordernd ist. Dies entspricht der kreativen und emotionalen Vorgehensweise.
Die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan und die Interpretation von Daniel Pink besagt, dass Menschen durch die nachfolgenden drei intrinsische Treiber motiviert werden:
- Kompetenz/Wirksamkeit (Mastery): Meisterschaft einer Disziplin erreichen durch Verbesserung seiner Fähigkeiten und kontinuierlichem dazulernen.
- Autonomie (Wirksamkeit): Das Bedürfnis selbst verantwortlich zu sein und selbst entscheiden zu können was man tut.
- Soziale Eingebundenheit: Verbindung zu anderen mit einem Zugehörigkeitsgefühl erreichen und einen Sinn darin sehen, was man tut.
Fazit: Für eine moderne Lernkultur für das selbst bestimmte Lernen ist somit ein motivierendes Umfeld notwendig mit ausreichend Raum für Selbstwirksamkeit.
Lernsettings und Lernformate im Überblick
Bei der Frage welche Lernsettings und Lernformate nun geeignet sind, um ein Kultur für das selbst bestimmtes Lernen zu fördern zeigt meine Erfahrung , dass es gerade zu Beginn einen Mix aus den vier Quadranten des Lernens als Blended Learning sinnvoll ist, da auch beide Perspektiven benötigt werden:
- formales bzw. informelles Lernen: Fokus auf Verantwortung der Lernziele und -inhalte,
- selbstbestimmtes bzw. geleitetes Lernen: Fokus auf Organisation des Lernens und die Lernaktivität selbst.
Blended Learning kann auch die Kombination von formalen und informellen Lernformaten mit selbstbestimmten bzw. geleiteten Lernen sein.
Zusätzlich ist es sinnvoll, sich so häufig wie möglich auf das Microlearning zu fokussieren, damit das Lernen auch im beruflichen Alltag Akzeptanz findet.
In meinem Blog Beitrag Corporate Learning: Vom Training zum Lebenslangen Lernen habe ich bereits den Prozess des Lernens mittels Shu-Ha-Ri vorgestellt.
- Shu: Lernen, um es zu kennen: Buch lesen oder Training besuchen. Das Denken steht im Vordergrund
- Ha: Lernen, um es zu tun: Das angeeignete Wissen anwenden. Das Tun steht im Vordergrund
- Ha+: Lernen, diesen Prozess mit anderen zusammen zu machen: Wissensaustausch, soziale Interaktion durch Dialog und Diskussion
- Ri: Lernen als Lebenseinstellung (lebenslanges Lernen): Entwicklung zum Wissensarbeiter
Durch diese schrittweise Umsetzung und mit Hilfe von geeigneten Lernsettings- und Lernformate kann die Kultur des selbst bestimmtes Lernen dazu dienen, dass am Ende das Lernen im Netzwerk gestaltet wird, um miteinander und voneinander zu lernen. Dies spiegelt sich beispielsweise auch in meinem Motto meiner Akademie wieder: Netzwerken & Lernen.
In der nachfolgenden Abbildung sind einige Lernformate und Lernsettings in die vier Quadranten in orange eingeordnet, die ich aktiv besuche oder anwende. Welche Lernformate kennst du noch?
Im Video stelle ich meine Lieblings-Lernformate vor. Alle vorgestellten Formate fördern die agile Haltung und verfolgen unterschiedliche Ziele. Der Austausch in der Gruppe hat bei mir einen großen Stellenwert, nachdem jeder individuell seine Punkte erarbeiten konnte.
Meine Padlet Sammlung zum Thema Agiles Lernen: https://padlet.com/embed/x230d23amwbkg6b8
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